Darum bin ich in die Schweiz ausgewandert

Auswandern in die Schweiz, Leben in der Schweiz.  Nun geht es also los, dieses Blogprojekt, das mir schon länger im Kopf herumschwirrt. Hier wird es Anekdoten und Wissenswertes aus der Schweiz zu lesen geben. Schliesslich lebe ich schon 2006 unter den Eidgenossen.

Wieso bin ich in die Schweiz ausgewandert?

Der Auslöser war: Ich wollte richtig gut Geld verdienen! Denn das gelang mir in Deutschland nicht. Warum? Mein Informatik-Studium beendete ich genau zu der Zeit, als die erste Informatikerschwemme auf dem Markt schwappte. OK, ich habe die Fachhochschule auch nicht mit „sehr gut“ abgeschlossen, aber das war nicht der Grund, warum ich nach dem Studium keine Anstellung fand.

Geld Schweiz
Hohe Löhne – Viel Geld – Oft die Hauptmotivation für das Auswandern in die Schweiz

Selbständig in Deutschland

Aus der Not heraus machte ich mich im Elternhaus in Neustadt im Schwarzwald selbstständig. Und das dauerte immerhin mehr als 9 Jahre an. Und ja, der Witz ist alt, aber auch wahr: ich arbeitete selbst und ständig. Ich verdiente auch etwas Geld, aber investierte praktisch alles, was reinkam, sofort wieder.

Hardware-Verkauf
Rechner selber zusammenbauen und verkaufen. 1997 lohnte sich das gerade noch so…

Irgendwann verlagerte mein einziger Grosskunde seine Produktion nach China. Statt knapp 100 PC-Arbeitsplätzen waren nur noch 5 zu betreuen. Ein Grosskonzern kaufte einen kleineren in meiner Umgebung und machte ihn platt. Das war zwar kein direkter Kunde von mir, aber viele meine Kunden hatten für ihn gearbeitet. Und die gaben mir auch keine Aufträge mehr.

Dazu kam, dass kurz vor dem Jahreswechsel 1999/2000 wegen befürchteter Umstellungsprobleme nochmal kräftig in die IT investiert wurde und es danach entsprechend wenig zu tun kam.  Lange Rede, kurzer Sinn: Ich brachte es nicht fertig, noch so zu arbeiten, dass sich das ganze lohnte und schloss mein Geschäft 2003. Zurückblickend mit meiner jetzigen Erfahrung hätte es noch die ein oder andere Möglichkeit gegeben, das Steuer herumzureissen, doch damals hatte ich zu wenig Erfahrung.

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Der letzte Tag meines eigenen Geschäfts

Angestellt in Deutschland

Wieder hatte ich mir einen ganz schlechten Zeitpunkt ausgesucht: Wegen des Jahreswechsels von 1999 auf 2000 waren nicht nur bei meinen Kunden alle Systeme erneuert, sondern auch bei praktisch allen anderen Firmen. Die Folge: Überall wurden Informatiker entlassen und es gab wieder eine Informatikerschwemme auf dem Arbeitsmarkt.

Ich verschickte Bewerbungen in ganz Süddeutschland und bekam schliesslich eine Stelle im Vertrieb eines IT-Systemhauses in Freiburg im Breisgau. Netto-Lohn EUR 1050. Ich erinnere mich noch, dass ich mich von meiner damaligen Freundin zum Kino einladen lassen musste, so knapp war ich damit finanziell dran.

Und so riss ich Überstunden runter und schrieb Angebote wie verrückt, denn schliesslich sollte sich das kümmerliche Grundgehalt durch die Vertriebsprovisionen aufbessern lassen. Diese Zeit war hart, aber auch lehrreich: Ich lernte, was Vertrieb bedeutet. Ich lernte auch mehr aus mir herauszugehen. Zudem interessierte mich der technische Hintergrund hinter allem sehr und ich arbeitete mich intensiv in alle der von uns vertriebenen Systeme ein. Und so beriet ich gut und schloss auch einige Aufträge erfolgreich ab.

Als wir dann aber unter fadenscheinigen Begründungen die Provisionen nicht erhielten, verpuffte meine Motivation mit einem Schlag. Ich bewarb mich erneut und bekam sogar in meiner Heimat Neustadt eine Stelle. Es ging um den Vertrieb und Installation für CAD-Software. Ein vollkommen neues Thema, in das ich mich wieder mit Begeisterung hineinstürzte. Hier verdiente ich auch schon etwas besser.

Doch leider kam ich hier trotz besserem Lohn vom Regen in die Traufe. Im Vertriebsnetz gab es Änderungen, die dazu führten, dass ich mich in den Bereich Elektrotechnik und Stahlbau hätte einarbeiten müssen. Das war die Zielgruppe der Software. Doch dazu fehlte mir die Motivation. Dass ausserdem noch wie in den 60er-Jahren in den Büros gequalmt wurde, förderte meine Bindung zur Firma nicht auch noch. Und so ging es wieder los mit den Bewerbungen.

Wechsel in die Schweiz?

Meine Eltern erzählten mir immer wieder, dass man ja anscheinend in der Schweiz so gut verdienen würde. Warum also nicht? Tatsächlich klappte es hier auch relativ bald mit einer Stelle.

In die Schweiz auswandern

Es gab einiges zu regeln, hierzu mehr noch in separaten Artikeln. Schliesslich war das geschafft und ich brach meine Zelte im Schwarzwald ab und zog nach Kaisten. Oder „zügelte“ nach Chaiste, wie es in der Schweiz heist.

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Einzug in meine erste Wohnung in der Schweiz

Meine erste Stelle in der Schweiz

Ich verdiente, wie ich fand, richtig viel Geld. Es gab aber auch Arbeit ohne Ende und so schuftete ich bis zum Umfallen. Das fiel auch meinem direkten Chef auf. Der fasste das aber falsch auf und dachte, ich wolle ihm am Stuhl sägen. Neben meinem Job, die IT-Supportorganisation aufzubauen, musste ich mich also noch die Attacken meines direkten Chefs abwehren. Zudem gab es noch Streitigkeiten zwischen den verschiedenen IT-Abteilung.

In dieser Zeit legte ich – denke ich zumindest – den Grundstein für einige gesundheitliche Probleme, die noch auf mich zukommen sollten.

Aber nicht nur mir fiel auf, dass da einiges in der IT im Argen lag, sondern auch der Firmenleitung und so gab es ein grosses IT-Reorganisationsprojekt. Coaches kamen zur Konfliktberatung ins Haus, es ging drunter und drüber. Nur: Wirklich besser wurde es nicht.

Ich arbeitete immer noch weit über die in der Schweiz üblichen 42 Stunden.

Grundsätzlich kann ich Entscheidungen akzeptieren, auch wenn diese nicht in die Richtung gehen, wie ich es gerne hätte.  Ich möchte aber gerne verstehen, welche Gründe zu der Entscheidung führen und erlaubte mir des öfteren, mal kritisch nachzufragen. Oft stellte sich heraus, dass überhaupt niemandem klar war, wohin die Reise geht. Beim zweiten Jahresgespräch wurde mir vorgeworfen, ein Querulant zu sein. Ich weigerte mich zunächst, die Zielvereinbarung zu unterschreiben. Das hätte aber den Verzicht auf ein zusätzlichen Monatsgehalt bedeutet und so liess ich mich „kaufen“.

Aber natürlich war meine Motivation und meine Verbindung mit dieser Firma wieder im Eimer und die Bewerberei ging wieder los. Interessanterweise fand ich im gleichen Ort relativ schnell einen Job. Und das, obwohl ich auf  den letzten Stellen nur jeweils 1-2 Jahre blieb. Mir war bewusst, sowas macht nicht wirklich einen guten Eindruck in der Personalabteilung.

Meine zweite Stelle in der Schweiz

In dieser Stelle blieb ich dann 9 Jahre. Das Aufgabengebiet war klasse, allerdings war auch hier die Arbeitsbelastung viel zu hoch. Ich war zuständig für interne Mitarbeiter, externe Kunden, Lehrlinge und hatte auch das ein oder andere grosse IT-Projekt zu stemmen. Ich arbeitete wie verrückt und kaum war ich daheim, hängte ich nochmal ein paar Stunden dran, um mich fortzubilden.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass den meisten Stress ich mir selbst gemacht habe. Damals hatte ich das Gefühl, für das viele Geld auch extrem viel arbeiten zu müssen. Das wurde auch geschätzt, aber ich denke, wenn ich mich abgegrenzt hätte, nur das wichtigste erledigt hätte und nach 9 Stunden täglich gegangen wäre, hätte ich meinen Job auch nicht verloren.

Ciao Gesundheit!

Es kam, wie es irgendwie kommen musste. Auf Gesundheit und Sport achtete ich immer weniger. Mein Körper fand das überhaupt nicht gut und so kamen einige Krankheiten und OPs. Stress vertrug ich immer weniger und langsam kam die Erkenntnis: So kann ich nicht weiter machen.

80%

Als erstes reduzierte ich mein Pensum auf 80%. Das hat recht gut funktioniert. Doch auch in meiner jetzigen Firma gab es viele Änderungen und die IT verlor an Stellenwert.

Ausserdem war es schwer (oder besser mir fiel es schwer) hier an meinem doch recht ländlichen Arbeitsort mit anderen Leuten Kontakt aufzubauen. Schwerpunkte änderten sich in meinem Leben. Ein intaktes soziales Umfeld gewann gegenüber dem Job deutlich an Wert.

Meine dritte Stelle in der Schweiz

Mittlerweile hatte ich auch die Freude an Servern und das nächtliche Patchen von Windows-Systemen verloren und dafür mehr und mehr an meinen eigenen Web-Projekten gearbeitet. Und ich hatte Glück und bekam bei einem Webhoster in Basel eine Stelle im Support.

Dort bin ich quasi der Support-Opa. Sonst sind die Kollegen überwiegend viel jünger. Aber das klappt ausgesprochen gut. Hier herrscht auch ein guter „Spirit“. Natürlich gibt es auch hier Dinge, die ich selbst anders machen würde, aber alles ist gut kommuniziert. Überstunden sind nur selten nötig und ich habe bedeutend weniger Stress.

Und meine gesundheitliche Situation hat sich mittlerweile massiv verbessert.

70%

Mein Pensum habe ich mittlerweile auf 70% reduziert. Um das möglich zu machen, bin ich allerdings auch auf einen wesentlich bescheideneren Lebensstandard gewechselt, was mir anfangs nicht leicht fiel.

Vom Land in die Stadt

Zudem habe ich meinen Arbeitsort vom Land in die Stadt verlegt und lebe auch in der Nähe von Basel. Basel ist zwar mit nicht einmal 200.000 Einwohner für deutsche Verhältnisse keine richtige Grossstadt, aber ich als „Landei“ vom Schwarzwald finde, dass es da schon ganz schön viele Leute hat. Noch vor Jahren hätte ich es mir nicht vorstellen zu können, hier zu wohnen.

Aber das hat auch Vorteile.

Endlich viele andere Leute in der Schweiz kennen lernen

Dieser Artikel ist in der Corona-Krise entstanden und ich habe gerade das Glück, mit meiner Liebsten die Home-Office-Zeit über die Runden zu bringen. Aber so langsam würde ich gerne mal wieder andere Leute live treffen und nicht nur per Video-Call. Bei meinen ersten, recht ländlichen Wohnorten hatte ich grosse Mühe, Bekanntschaften oder gar Freundschaften aufzubauen. Fairerweise ist  zu sagen, dass früher das Arbeiten für mich einen viel höheren Stellenwert hatte als das Sozialleben. Mir war zu der Zeit gar nicht bewusst, was mir wirklich fehlte, um ein glückliches Leben aufzubauen.

Sicher ist es auf dem Land schwieriger, Bekanntschaften aufzubauen. Aber Portale wie spontacts oder Sozialkontakt sollten auch hier helfen können. Ich denke auch, dass das nicht unbedingt ein Problem der Schweizer ist. Auch wenn du als Auswärtiger in den Schwarzwald kommst, wirst du es sicher erst einmal schwer haben.

In Basel finde ich es viel einfacher. Ich habe hier imzwischen einige sehr liebe Leute kennen gelernt. Das mag an der Nähe zu Deutschland und Frankreich und dem reichhaltigeren Kulturangebot liegen. Sicherlich liegt es aber auch daran, dass ich generell etwas mehr „Open Minded“ als früher bin.

Nur wegen des Geldes in die Schweiz?

Ich habe einige Zeit sehr mit der Entscheidung in der Schweiz zu leben gehadert. Mittlerweile bin ich glücklich damit. Noch einmal praktisch nur wegen des Geldes in die Schweiz zu ziehen, würde ich allerdings nicht mehr machen und auch niemandem raten.

Wir alle müssen unseren Lebensunterhalt verdienen und es ist eine Schande, wie gering manche Berufe in Deutschland entlohnt werden. Trotzdem muss man sich bewusst machen, dass man seine gewohnte Umgebung verlässt und weitgehend neu anfangen muss. Wenn man Vollzeit arbeitet, kostet es grossen Aufwand, noch zusätzlich Anstrengungen zu unternehmen, einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen.

Das ist bei einem Umzug weiter weg innerhalb Deutschland ähnlich. Aber es gibt durchaus auch kulturelle Unterschiede, auf die ich hier in einigen Artikeln noch eingehen werde. Diese sind zumeist nicht besonders gross und  überwindbar. Aber zudem trennt und hier doch auch eine Grenze von unserer ursprünglichen Heimat. Diese ist normalerweise ebenfalls überwindbar, aber in Zeiten von Corona nun eben doch nicht.

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